Ulrike Syha, 2009/2010
Ulrike Syha
Hausautorin am Nationaltheater 2009/2010
DENKEN IM QUADRAT (Text von Ulrike Syha)
Vermutlich ist in keiner Stadt je so viel zum Thema Quadrat gesagt worden wie in Mannheim.
Wenn man am Bahnhof aus dem ICE steigt, stolpert man geradezu ins Quadrat. Ich verfange mich auf dem Weg ins Collini-Center (Wohnung der Autorin) in der vermeintlichen Übersichtlichkeit des Schachbrettmusters (wieso kommt nach F eigentlich plötzlich Q?) – und das nur, weil ich meinen Blick vom 7. Stock aus über Neckar und Odenwald (deutsche Hügellandschaft) mit einer trotzig ausländisch dreinschauenden Zimmerpalme anreichern wollte.
Nach einer Stunde habe ich noch immer keinen Pflanzenladen gefunden, meine weibliche Orientierungsunlust hat ihren Höhepunkt erreicht, mein Rollkoffer macht mehr Lärm als die Straßenbahn neben mir, und um von dieser peinlichen Tatsache abzulenken, murre ich ein wenig über die Werbestrategen und Städteplaner, die das arme Quadrat in den letzten Jahren offensichtlich derart überstrapaziert haben („Leben im Quadrat“, „Cinema Quadrat“, „CConcept² GmbH“, „RAMADA Hotel Mannheim – Quadratisch gut“), dass ich es im Prinzip schon kaum noch hören kann, als ich das Collini-Center endlich erreiche (ohne Palme, mit Rollkoffer, der jetzt aber ohne Rollen).
Dennoch, ungenommen: Die Mannheimer Quadrate üben auch auf mich eine große Faszination aus.
Und so sitze ich bei den ersten Arbeitstreffen mit der Regisseurin meines (noch zu schreibenden) Stücks dann auch in verschiedenen Mannheimer Cafés, und wir denken darüber nach, inwiefern sich städtebauliche und architektonische Wagnisse der Rhein-Neckarmetropole in unserem gemeinsamen Projekt widerspiegeln sollten. Wir sprechen über Leben in geometrischen Formen, Le Corbusier und den vitruvianischen Mensch – und sind zu einer finalen Entscheidung noch nicht gekommen.
Ich denke, ich gebe mir und dem Quadrat vorher noch ein Weilchen. Wir haben ja gerade erst begonnen, uns miteinander anzufreunden.