Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim

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Theresia Walser, 2013/2014

Theresia Walser Hausautorin am Nationaltheater 2013/2014
Theatermagazin September 2013:
DAS LETZTE WORT
DIE KOLUMNE DER HAUSAUTORIN

Manchmal, wenn ich im Theater sitze, schaue ich kurz ins Halbdunkel auf die, die neben mir sitzen und auf die Bühne schauen. Für einen Moment schaue ich den Zuschauenden beim Zuschauen zu. Ich mache das auch, um mich selbst zu beruhigen. Umso überzeugter bin ich dann, dass es niemals aufhören wird: diese Lust, dass der Mensch dem Menschen so gerne zuschaut. Und, dass Menschen so gut Menschen spielen können, bloß schöner und schlimmer. Wo sonst können wir so im Halbdunkel sitzen und uns insgeheim wünschen, es möge da vorne auf der Bühne doch bitte noch schlimmer kommen! Das befreiende Glück an der katastrophalen Zuspitzung, die Lust und das Lachen am Schrecken. Dass man sich in widersprüchlichsten Gedanken zerrissen fühlen darf, dass man die Bösen toll, die Guten langweilig, die Verlierer zum Schreien finden kann. Dass man selbst über die monströsesten Zyniker noch hell auflachen darf.


Theatermagazin Oktober 2013:
DAS LETZTE WORT
DIE KOLUMNE DER HAUSAUTORIN

Wir alle wissen, dass es in sogenannten Krisenzeiten der Kunst an den Kragen geht. In einer Zeit, die besessen ist von einer Art Statistikwahn, giert man, so scheint es, nach allem Messbaren. Dass das Theater immer schon unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck stand, ist nicht nur schlecht, sondern auch belebend. Denn als historisierende Kulturübung würde das Theater nur noch eine schwindsüchtige Kraft besitzen. Theater muss sich immer wieder von neuem ins Leben rufen. Nur, wie soll man diese Vergänglichkeitsfeiern, von denen ja nichts bleibt, als das, was davon in uns bleibt, abwägen, schätzen, werten, messen. Vor allem, messen woran? An welcher Art von Effizienz? An welcher Art von Gelingen? Wir sind nach solchen Abenden ja weder viel gesünder, noch sind wir kränker, wir sind danach nicht einmal wesentlich klüger, aber keinesfalls sind wir auch dümmer, wir sind sicherlich belebter. Theater verteilt keine Wirklichkeitsrezepte. Theater bleibt ein Ort für Wahrnehmungsschärfung von gesellschaftlichen Witterungsverhältnissen.


Theatermagazin November 2013
DAS LETZTE WORT
DIE KOLUMNE DER HAUSAUTORIN

Man schreibt als Dramatikerin ja nicht in erster Linie für Leserinnen und Leser, selten einmal gibt es Leser, die gerne Theaterstücke lesen. Als Dramatikerin schreibt man, wenn man so will, für die Luft. Das ist ein mehr oder weniger lautes Schreiben, wenn ich an mich selbst denke, ein sprechendes, fuchtelndes, gestikulierendes. Man schreibt als Dramatikerin fürs Vorübergehende, Vergängliche, ja, fürs Verwehende. Theater ist ein Vergänglichkeitsgeschäft. Ein Theaterabend ist letztendlich nicht haltbar. Weder kann man ihn später wieder auspacken, noch kann man ihn beliebig wie ein Buch auf und zuschlagen. Während Bücher den Tag der Lektüre überdauern und Gemälde der Zeit enthoben zu sein scheinen, kann uns keine einzige mediale Aufzeichnung die Intensität eines Bühnenerlebnisses je wieder zurück geben. Dabei erleben wir ja an jedem Theaterabend, wie die Zeit selbst die Hauptrolle spielt , so wie auch die Musik in jedem Augenblick darauf hinweist, wie Entstehen und Vergehen beinahe eins sind. Was dazwischen geschieht, ist an einen bestimmten Ort gebunden und von kurzer Dauer. Einem Film, so sehr er einen auch beeindruckt und beglückt haben mag, kann man nie wie einem Theaterabend nachtrauern.


Theatermagazin Dezember 2013
DAS LETZTE WORT
DIE KOLUMNE DER HAUSAUTORIN

Über den französischen Dramatiker Ionesco, den Meister des gespenstisch Absurden, erzählt man sich folgende Geschichte: Monate schon wartete ein Theaterdirektor darauf, endlich das Stück lesen zu können, das er bei Ionesco in Auftrag gegeben hatte. Allmählich wurde er ungeduldig, zumal bald schon die Proben beginnen sollten. Im Theater, wie Sie wissen, braucht alles eine lange Planung, die Besetzung, das Bühnenbild, die Kostüme etc. Ionesco machte ihm den Vorschlag, sich in einem Café zu treffen, um ihm dort sein neues Werk vorzulesen. So kam es dann auch. Ionesco saß dem Theaterdirektor gegenüber und las ihm das komplette neue Stück vor. Der Theaterdirektor war erleichtert und überglücklich. Als er aber das Manuskript an sich nehmen wollte, traute er seinen Augen nicht: Es waren lauter leere Blätter! Nichts als ein Haufen weißes Papier, auf dem kein einziger Satz stand. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob die Geschichte stimmt. Mir hat sie ein Theaterintendant erzählt, der sich mir gegenüber in einer ähnlichen Lage befand. Es bleibt für alle Beteiligten ein grandioser Alptraum.


Theatermagazin Januar 2014
DAS LETZTE WORT
DIE KOLUMNE DER HAUSAUTORIN

Als ich acht war, kam ich das erste Mal aus einem Theater, ich hatte Hebbels Maria Magdalena gesehen. Auf dem Nachhauseweg ging mir ihr Weinen nicht mehr aus dem Kopf. In Zukunft wollte ich nur noch weinen wie Maria Magdalena. Schon der Gedanke daran gab mir das Gefühl, ich wäre damit für sämtliche Schmerzen ausgerüstet. Auch für die, die noch kommen. Auch wenn ich damals nicht alles verstand, hatte ich nach diesen kindlichen Theaterbesuchen oft das Gefühl, ich trüge etwas fort, was ich selbst anwenden wollte. Als ließe sich in der Weise, wie einem die Schauspieler einen Satz ins Ohr gelegt hatten, im Nachhinein mit diesen Brocken spielen und sich damit etwas erschließen, was über ein reines Verstehen hinausreicht. Das kam mir jedes Mal vor wie eine Eroberung, bei der man sich selbst entdeckt. Im Sprechen der Schauspieler lag eine Musik, die aus Augenblicken unbestimmte Zeit werden ließ. Jeder Satz wirbelte in seiner Eindeutigkeit gleichzeitig Ungesprochenes auf, als risse die Bewegung eines Sprechenden immer auch von Worten Undurchdringbares mit ans Licht. Darin bleiben Schauspieler für mich bis heute Augenblicksvirtuosen.


Theatermagazin Februar 2014
DAS LETZTE WORT
DIE KOLUMNE DER HAUSAUTORIN

Vor einiger Zeit hatte ein Stück von mir Premiere, in dem sechs Figuren versuchen, ein Gespräch über Krieg zu führen, und dabei selbst in einen regelrechten Wörterkrieg geraten. Es geht um aktuelle Kriege, in die auch unsere Länder verwickelt sind. Meine Figuren streiten vor allem darüber, wie man angemessen über Kriegseinsätze reden könnte. Nach der Premiere kam ein Zuschauer auf mich zu und fragte mich, was denn die Haltung dieses Stückes sei? Wofür das Stück stehe? Er hatte sich gewünscht, dass hier eine klarere Position bezogen wird. Eine Position, der er beipflichten oder die er ablehnen kann. Er wollte sich in einer bestimmten Haltung entspannen können. Mein Stück gibt jedoch keine eindeutige Antwort. Es lebt von Gegensätzen, die aufeinanderprallen und die man aushalten muss, ohne dass sie am Ende in einer eindeutigen Meinung gipfeln. Meine Stücke wollen eine solche Absegnung nicht leisten. Schreiben erfordert Bewegungsfreiheit, in der man sich für widersprüchlichste Gedanken, Stimmungen und Ansichten engagieren kann und auch will. Haltung? Ich hätte dem Mann damals nach der Premiere entgegnen sollen: Sie wollen eine Haltung? Dann machen Sie besser eine Rückenschulung.


Theatermagazin März 2014
DAS LETZTE WORT
DIE KOLUMNE DER HAUSAUTORIN

Immer wieder gibt es Sätze, die – aus weiß nicht welchen Gründen – an mir hängen bleiben. Für solche Sätze suche ich dann in einem Stück eine Unterkunft. Manchmal generieren sich aus solchen aufgeschnappten Sätzen ganze Figuren, die einen dann in Welten entführen, die man überhaupt nicht vorausplanen kann. Nicht lange her, saß ich in einem Altdamencafé, ein paar Tische weiter saß ein älteres Ehepaar. Sie redeten über ihren Garten. Die Frau wollte, dass der Mann endlich einen Zweig vom Kirschbaum absägt, damit wieder Licht ins Wohnzimmer kommt. Darauf erwiderte der Mann, dass er das leider nicht könne, weil es regnet. So ging das eine Weile hin und her. Alles, was die Frau von ihrem Mann wollte, konnte nicht getan werden, weil es regnet. Irgendwann sagte sie nach einer kürzeren Pause: Der Peter hat mir jeden Wunsch erfüllt und was sich sonst noch so gehört. Ohne seinen zweiten Teil, wäre dieser Satz wahrscheinlich nicht an mir hängen geblieben. Aber dieses »und was sich sonst noch so gehört« machte ihren Satz auf eine Weise ungeheuerlich, bei der man ahnt, dass darin ein ganzes Leben steckt. Es gibt Sätze, denen sieht man ein ganzes Leben an, wie einem Gesicht.


Theatermagazin April 2014
DAS LETZTE WORT
DIE KOLUMNE DER HAUSAUTORIN

Ich behaupte, dass es glückliche Figuren auf der Bühne nicht gibt. Eine glückliche Figur wäre auf Dauer zum Gähnen. Einer Bühnenfigur kann man nichts Besseres wünschen als alles erdenklich Schlechte. Wir dürsten nach Katastrophen, Unglücken, Miseren, wir wollen sie fallen und stolpern sehen. Eine Figur, wenn sie glücklich wäre, muss nicht auf die Bühne. Anders ist es, wenn sie nur auf der Bühne glücklich sein kann. Dann fehlt ihr aber bereits etwas. Oder sie muss anderen ständig von ihrem Glück erzählen. Glück für sich allein genügt nicht. Man braucht Zeugen. Die meisten Figuren brauchen und, was unwillkürlich dazu gehört, missbrauchen einander als Zeugen ihrer Lebenserfindungen. Man kennt das ja von sich selbst, jedem erzählt man sein Leben ein wenig anders, auch wenn es das gleiche Leben ist. Ein fremder Zuhörer beglaubigt die Erzählung schon rein durch seine Anwesenheit. Wie oft begegnen wir unterwegs in Zügen diesen Monologmonstern, die einen mit ihren Lebensgeschichten beladen. Die Erzählung, sobald sie Zeugen hat, ist wahr. Mit anderen Worten: Sie ist geschehen.


Theatermagazin Mai 2014
DAS LETZTE WORT
DIE KOLUMNE DER HAUSAUTORIN

Vor nicht langer Zeit galt der Begriff Globalisierung noch als Schimpfwort. Globalisierung hieß die neue Zukunftsdrohung, die man mit Ungerechtigkeit in aller Welt gleichsetzte. Im Vorwort des Festivalprogramms für Theater der Welt kann man nun lesen: »Theater, Tanz oder Performance sind genauso globalisiert wie die Software von SAP«. Als Behauptungsfanfare wirbelt ein solches Statement auf schönste Weise Welten durcheinander, die sonst meist fein säuberlich getrennt werden. Und der Begriff Globalisierung erscheint in diesem Zusammenhang auf einmal in einem wärmeren Licht, als hätte ihm die freundliche Übernahme, seine sonst nur aufs Ökonomische versessene Kälte ausgetrieben. Dass Mannheim jetzt Herberge wird für Theater der Welt passt wunderbar. Städten, die am Wasser liegen, sieht man immer eine Sehnsucht nach Ferne an. Und in Mannheim ist der Himmel sowieso dramatischer, weil er andauernd von benachbarten Industrieschloten bespuckt wird. Und es zieht an Mannheim ein Fluss vorbei, der einen tatsächlich mit der Welt verbindet. Jederzeit könnte man in Mannheim mit dem Schiff bis abends noch Rotterdam erreichen!


Theatermagazin Juni 2014
DAS LETZTE WORT
DIE KOLUMNE DER HAUSAUTORIN

Vor Jahren lebte ich in der Langen Rötterstrasse in Mannheim. Nie werde ich die Verkäuferinnen dort bei Tengelmann vergessen. Eine Freundlichkeit, die sich so wenig anstrengen muss, freundlich zu sein. »Sammeln Sie auch die Treueherzen?« Die Tengelmanndamen konnten nicht wissen, dass diese Frage damals in meinem Leben noch auf ganz andere Weise eine Rolle spielte. In der Mannheimer Melodie liegt ja immer auch eine Beschwerde. Eine Beschwerde, aber kein Vorwurf. Es ist, als verleihe dieser Beschwerdesingsang dem Gesagten erst ein Gewicht. Wobei es keine Rolle spielt, ob man übers Wetter oder die nie endenden Baustellen spricht. Gleichzeitig hat man das Gefühl, als werde dabei der Ernst des Lebens mehr gespielt, als dass man wirklich an ihn glaubt. Ich habe damals im Tengelmann lauter Dinge erworben, die in ihrer Anhäufung etwas völlig Sinnloses kriegten: Mehrere Osternester, an die zehn Seifenhalter, Dutzende von Milchkännchen und so viele Eierbecher, dass kein Mensch wüsste, wie er sie in einem einzigen Leben unterkriegen sollte. Ich wollte die Treuste von allen sein.


Theatermagazin Juli 2014
DAS LETZTE WORT
DIE KOLUMNE DER HAUSAUTORIN

In Mannheim wirkt alles ein wenig unwirklicher als in anderen Städten. Die warmen, nach Bretzel riechenden Winde, die an Sommerabenden durch die Planken sausen. Die BASF nebenan – wie ein Spielzeug aus dem 19. Jahrhundert. Im Sommer auf der Rheinterrasse unter Platanen sitzen wie in einem Monetbild. Um die Ecke das Gefühl, als befinde man sich in Paris. Dann wieder 70er-Jahre-Hochhäuser, die fast schon etwas von Ruinen haben. Jedes noch so idyllische Versprechen wird in Mannheim sofort enttäuscht. Mannheim ist – wohin auch immer man blickt – ein Fast, ein Beinahe. Nie kriegt man von etwas zu viel, aber auch nie genug. Nicht vom Hässlichen, nicht vom Schönen. Von keiner Stadt meine ich soviel Kunst am Bau zu kennen, die vor sich hinrostet. Lauter alt gewordene Zukunftsversprechen, Trotzreaktionen aus Stahl. Eigentlich bestehen sie hauptsächlich aus Willen, was ihnen inzwischen auch etwas verloren Lächerliches verleiht. Man möchte sie am liebsten vor ihrer eigenen Behauptungshärte in Schutz nehmen. Stehe ich vor ihnen, merke ich vor allem, wie wenig man sich selbst aussuchen kann, woran man hängt.


BIOGRAFIE

Theresia Walser wurde 1967 in Friedrichshafen geboren. Sie absolvierte eine Schauspielausbildung in Bern und war anschließend zwei Jahre Ensemblemitglied am Jungen Theater Göttingen, bevor 1997 ihre ersten eigenen Stücke uraufgeführt wurden. 1998 wurde sie in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute zur besten Nachwuchsautorin gewählt, 1999 zur besten deutschsprachigen Autorin. Für ihre Arbeit als Autorin wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit der Fördergabe des Schiller-Gedächtnispreises des Landes Baden-Württemberg 1998, dem Übersetzungspreis des Goethe-Instituts 1999, dem „Stücke“-Förderpreis des Goethe-Instituts 1999 sowie 2001 sowie dem Stipendium der BHF-Bank-Stiftung für die Frankfurter Positionen 2006. Am NTM wurden von Theresia Walser bisher die Stücke Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm, Monsun im April, Herrenbestatter, Die ganze Welt und Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel uraufgeführt. In der Spielzeit 2014/15 entsteht mit Herrinnen ein weiteres Auftragswerk für das Schauspiel des NTM. Theresia Walser lebt in Freiburg im Breisgau.


HERRINNEN (UA) Premiere 29.10.2014
Inszenierung: Burkhard C. Kosminski

Sie alle haben an Eliteuniversitäten beste Abschlüsse gemacht, sie haben teuerste Managerinnenschulungen hinter sich, haben Kurse für weibliche Führungskräfte absolviert und kennen die verschiedensten Spielarten, wie man sich durchsetzen kann, und die ewige Frage, ob sie als Frauen Männer spielen müssen.
Katharina, Anke, Ragna und Sabine haben es bis an die Spitze von Firmen und Konzernen geschafft. Sie sind das, was man gemeinhin Global Playerinnen nennt. Nun haben ihre Firmen für sie in den Bergen von Davos einen Kurs mit dem Titel gebucht: »Global Leader of Tomorrow«.
Die vier Damen kommen an, nur fehlt von der Kursleiterin jede Spur. An ihrer Stelle werden sie von einem Sparringspartner empfangen, der sich abwechslungsweise Hans Uwe oder Jens Dieter nennt. Auch er behauptet, die Kursleiterin nicht zu kennen, und erklärt, dass eine der vier anwesenden Damen selbst die Leiterin ist. Aus der Verunsicherung, nicht zu wissen, wer hier wer ist, brauen sich allerlei ungute Vermutungen zusammen.
Allmählich entpuppt sich die Mechanik ihrer jahrelang antrainierten Strategien als vollkommen grotesk. Immer mehr fragen sich die Vier, warum ihre Firma ausgerechnet sie zu diesem Kurs angemeldet hat.


ICH BIN WIE IHR, ICH LIEBE ÄPFEL (UA), Premiere 12.01.2013
Inszenierung: Burkhard C. Kosminski

„Wo kein Volk ist, muss auch nicht gewunken werden.“
Drei Diktatorengattinnen haben sich zu einer Pressekonferenz versammelt. Anlass ist die geplante Verfilmung ihres Lebens. Redlich versucht ein Dolmetscher, zwischen den Frauen zu vermitteln, menschliche Seiten hervorzuheben – und befördert wider Willen einen Wettstreit des Monströsen, in dem schon kleinste Missverständnisse fatale politische Verwerfungen auslösen. Dabei sind die drei Damen längst nicht mehr im Amt. Die Männer von Frau Margot und Frau Imelda sind unfriedlich verstorben und der von Frau Leila steht aktuell „vor so einem grotesken holländischen Gericht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Die Gründe für ihre Vertreibung ins Exil kann keine von ihnen nennen. Als handele es sich um die netten Leute von nebenan, plaudern sie über Partys bei Stalin, Handküsse von Mao und Geschenke, die Castro ihnen überreichte. Selbst Mordanschläge oder Aufstände werden nonchalant wie notwendige Übel abgehandelt. Obwohl die Zeitläufte eine deutlich andere Sprache sprechen, weigern sich die drei buchstäblich, ihre Uhren umzustellen, und befinden unisono, dass ihre Biographien viel zu überwältigend seien, um in einen banalen Film zu passen; allein die Oper könnte das angemessene Medium sein ...
In Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel führt Theresia Walser ihre Beschäftigung mit der Problematik des Bösen auf der Bühne, begonnen in ihrem Stück Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm, fort und dreht dessen Perspektive um 180 Grad: Waren es dort drei Schauspieler, die erzählen, wie es war, Hitler bzw. Goebbels darzustellen, sind es hier drei einstige Politikerinnen (Ähnlichkeiten mit realen Personen sind weder zufällig noch unbeabsichtigt), die mit der Repräsentation ihrer Selbst-Wahrnehmung hadern. Zwischen dem leibhaftigen Gegenstand, der Verkörperung der Macht, und seinem Abbild klafft ein immer größerer Riss, der die eigentlichen Abgründe enthüllt – und der befreiendes Gelächter provoziert.


DIE GANZE WELT (UA), Premiere 20.11.2010
Theresia Walser zusammen mit Karl-Heinz Ott
Inszenierung: Burkhard C. Kosminski

Hierzu die Kritik
"Theresia Walser ist Meisterin des abgründigen Alltags, ihre Stücke spielen ganz harmlos in Altenheimen, Büros oder Kaufhäusern, aber die Allerweltsszenarien haben doppelte Böden. Das Surreale ist da nicht weit, und das Reale kippt gern ins Komische. Walser-Figuren befinden sich in einer Art Schwebezustand, kämpfen kunstvoll zappelnd gegen die drohenden Katastrophen an. In ihrem neuen, gemeinsam mit Karl-Heinz Ott geschriebenen Stück ist die Bodenhaftung größer. Richard und Regina haben das Schweben schon lange verlernt, kleben nur noch schwer auf ihren Ehestühlen, stochern lustlos in ihrem aufgewärmten Beziehungseintopf."   Die Rheinpfalz, 22. November 2010

"Kosminski lässt die Paare im verbalen Schlagabtausch wirkungsvoll aufeinanderprallen und veranstaltet einen schmerzhaft-komischen Seelenstriptease, gespielt von den vorzüglichen Schauspielern Sabine Fürst, Sven Prietz, Ralf Dittrich und einer fulminanten Irene Kugler, die als Regina pralle Sinnlichkeit und bohrende Altersängste zu einer nachdrücklich berührenden Haltung vermischt, in der sie beiden offen legt: die unstillbare Sehnsucht nach dem Leben und den bereits beschlossenen Rückzug daraus."   Stuttgarter Zeitung, 23. November 2010

"Stühle als Requisiten, mehr braucht diese vom Publikum mit viel Beifall bedachte minimalistische Inszenierung nicht. Der Rest ist Symbolik - an den Seiten der Bühne ein hochgezogener Parkettstreifen, im Hintergrund ein schwarzer Aushänger mit einem wasserblauen Nebelboden. Die Paare sitzen oder stehen am Bühnenrand und eigentlich ist es so, dass Irene Kugler (Regina), Ralf Dittrich (Richard) Sabine Fürst (Tina) und Sven Prietz (Dolf), allesamt wunderbare und hochkonzentrierte Seelenarbeiter, ihre Worte ans Publikum richten. Auch das ist clever mit dem Plot des Stücks abgestimmt: Man redet miteinander, aber immer aneinander vorbei."   Südkurier, 22. November 2010


HERRENBESTATTER (UA), Premiere 18.12.20109
Inszenierung: Burkhard C. Kosminski

Hierzu die Kritik
„Burkhard C. Kosminski, der „Herrenbestatter“ jetzt im Mannheimer Nationaltheater erstmals auf die Bühne bringt, setzt ganz auf die komischen Effekte des Stücks. […] Seine Entscheidung, aus „Herrenbestatter“ eine zeitgemäße Insolvenz-Burleske zu machen, ist verständlich und klug. […] Die Kunden des Kaufhauses haben kein Geld mehr, die Angestellten keine Würde, die Manager keine zündenden Ideen – und das Unternehmen keine Zukunft. Wenn alle dennoch so tun, als seien noch irgendwelche großartigen Ziele zu erreichen, wirkt das sowohl sehr komisch als auch sehr bitter. Dem Ensemble gelingt es, beides zugleich spüren zu lassen. Die Schauspieler denunzieren ihre Figuren nicht: Selbst hinter den grotesken Selbsttäuschungen und clownesken Hampeleien verstehen sie noch eine Portion Existenzangst zum Vorschein zu bringen.   Die Welt, 22.12.2009
 

„Kosminski macht aus der Kaufhaus-Untergangs-Komödie ein fröhliches Endspiel an der Kundenfront. Die 90 Minuten machen also viel Spaß. Sven Prietz gibt den Nachwuchsverkäufer Lenz als wuseligen Torero, der mit der Modefarbe Gelb die Kundschaft reizt. Anke Schubert spielt die Abteilungsleiterin Frau Irrwein als somnambule Umsatzstrategin und Rolltreppenbeschleunigerin. Reinhard Mahlberg ist ein bauernschlau abgebrühter Investoren-Romantiker. Gabriela Badura und Jacques Malan ein von Abhängigkeit, Hass und vielen Jahren ineinander verbissenes Mutter-Sohn-Gespann im fortgeschrittenen Alter. Auch die junge Frau (Jenny König) und Herr Sims (Hans Fleischmann) sind als Kundschaft keine leichten Fälle. […] Vielleicht könnte Herr Ellenbeck ja alle retten, aber der hat ja leider seinen letzten Tag. Peter Rühring spielt diesen Herrenbekleidungs-Ritter von der traurigen Gestalt so wunderbar, dass man ihm gern noch ein Weilchen gegönnt hätte.“   Die Rheinpfalz, 21.12.2009


„In „Herrenbestatter“ erweist sich Theresia Walser als Matadorin des gehobenen Boulevards, indem sie zeigt, dass Untergangsstimmung und Humor genauso miteinander verwandt sind wie Unglücksraben und Spaßvögel. Der Mannheimer Schauspiel-Chef Burkhard C. Kosminski sorgt in seiner weitgehend realistisch angelegten Inszenierung dafür, dass die schwarzhumorige Boulevard-Mechanik immer schön weiterrotiert – ganz so wie die Kaufhausdrehtür am linken Bühnenrand […]“   Rhein-Neckar-Zeitung, 21.12.2009


„Sprachpoesie, Humor und starke Schauspieler: Das neue Stück „Herrenbestatter“ der Dramatikerin Theresia Walser (42) ist am Freitagabend am Mannheimer Nationaltheater  mit großem Beifall aufgenommen worden.“   dpa, 21.12.2009


MONSUM IM APRIL (UA), Premiere 13.12.2008
Inszenierung: Burkhard C. Kosminski

Hierzu die Kritik
(…) Ohne sich auf die Pointen draufzusetzen, gelingt es den Schauspielern , das zarte Sprachgespinst im Leben zu verankern, mal mit madamigem Witz wie bei Anke Schubert als mannstolle Büronudel Frau Gust, mal onkelhaft sonor wie bei Edgar M. Böhlke als liebeserpresserischer Herr Firm, dann wieder mit schön direktem Aplomb wie bei Gabriela Badura, die als Majas Mutter im Brautkleid durch die Flure des Altenheims geistert. Ragna Pitoll und Klaus Rodewald spielen das Stalker-Pärchen Petra und Udo in Pelzmänteln, die ihr teuflisches Wesen andeuten, und sind ein bestens aufeinander eingespieltes Team mit höllischer Menschenfresser-Routine. Und Isabelle Barth als Maja trägt den Reitdress der höheren Tochter, die vom hohen Ross ihrer Lebenserwartungen heruntergeholt wurde.   Süddeutsche Zeitung
[…] Die dramatische Kunst ist gerade mal wieder auf der Flucht vor dem Drama. Und erst wenn der letzte Dramaturg seine Hände an den letzten Bestseller und an das letzte Drehbuch gelegt hat, werden sie feststellen, dass sie in eine Sackgasse gerannt sind. Bis dahin führendie Wege des deutschen Gegenwartsdramas (demnächst noch mit Uraufführungen von Albert Ostermaier, Gesine Danckwart und Dietmar Dath) wieder mal dorthin, wo immerhin schon vor mehr als 200 Jahren ein anderer junger Autor mit seinem Erstlingswerk Die Räuber reüssierte: nach Mannheim.  Die Welt


EIN BISSCHEN RUHE VOR DEM STURM (UA), Premiere 06.10.2006
Inszenierung: Burkhard C. Kosminski

Als Theresia Walser den Auftrag der neuen Schauspieldirektion erhielt, zum Start des neuen Schauspielteams ein Stück zu schreiben, konnte keiner der Beteiligten ahnen, dass das Eröffnungsdramolett bei Publikum und Kritikern eine derart große Resonanz finden und sich im Laufe der Spielzeit zu einem begehrten Repertoirestück entwickeln würde. Offensichtlich traf die satirische Kritik am modernen Regietheater einen besonderen Nerv. Darüber hinaus haben gleich zu Anfang einige Theater Interesse angemeldet Ein bißchen Ruhe vor dem Sturm ebenfalls zu zeigen. Theresia Walser hat daraufhin das Stück zu einem abendfüllenden Drama erweitert, das jetzt zu Beginn der zweiten Spielzeit von Burkhard C. Kosminski seine zweite Premiere erfährt.
Die Grundkonstellation ist freilich geblieben: Drei Schauspieler warten auf ihren Auftritt in einer Talkshow. Der berühmte Franz Prächtel und der prominente Peter Söst sind eingeladen, weil sie gerade als Hitler im Film reüssierten. Der junge Ulli Lerch hat den Goebbels gespielt. Während sie über ihre Figuren und die Darstellbarkeit des Bösen streiten, wird die Schauspielkunst und das Theater an sich ihr Thema. Was auf der Bühne stattfinden darf, wird schließlich zum unfreiwillig komischen Glaubenskrieg.  Theresia Walser hat ein amüsantes Kurzdrama über egomanische, engagierte und ehrgeizige Schauspieler geschrieben, die, bekanntermaßen, auch grandiose Selbstdarsteller sind.