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Albert Ostermaier, 1996/1997

Albert Ostermaier Hausautor am Nationaltheater 1996/1997
Albert Ostermaier
Hausautor am Nationaltheater 1996/1997

Albert Ostermaier gehört zu den meist gespielten Autoren der Gegenwart mit Aufführungen, die unter anderem in Los Angeles, New York und Athen aufgeführt wurden.


Biografie

Er wurde am 30. November 1967 in München geboren. Mit 16 Jahren entdeckte er seine Liebe zum Schreiben. Sein Abitur absolvierte Ostermaier am Rhabanus-Maurus-Gymnasium in St. Ottilien.
Ab 1987 studierte er immer wieder verschiedene Richtungen u.a. zwei Semester Architektur an der TU München, danach wechselte er an die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität  München für vier Semester. Ab 1990 studierte er dort Volkskunde und Mediävistik bis er nach seiner ersten Buchpublikation, dem Gedichtband „Verweigerung der Himmelsrichtung“, das Studium abbrach. Diese blieb jedoch weitgehend unbeachtet von der Presse. Somit feierte Ostermaier sein eigentliches Debüt mit dem Gedichtband „Herz Vers Sagen“ (1995). 1990 erhielt er das Münchener Literaturstipendium.

Das 1993 geschriebene und 1995 uraufgeführte Theaterstück „Zwischen zwei Feuern. Tollertopographie“ ebnete dann auch seinen Weg als Theaterautor. 1995 wurde er erstmals vom P.E.N. Liechtenstein für sein lyrisches Schaffen und 1997 mit dem Ernst-Toller-Preis ausgezeichnet.

In der Spielzeit 1996/1997 war er Hausautor am Mannheimer Nationaltheater. Für das Bayerische Staatsschauspiel entwarf Ostermaier 1997/98 anlässlich des 100. Geburtstages von Bertolt Brecht das Theaterstück „The Making Of B.-Movie“.  Auch blieb Ostermaier dem Mannheimer Nationaltheater immer wieder treu. So kam es im Dezember 1998 zur Uraufführung von „Radio Noir“ unter der Regie von Christoph Biermeier. Ein Jahr später, im November 1999, wurde „Tatar Titus“ uraufgeführt.

2001 war er Writer-in-Residence an der New York University.
Albert Ostermaier bekam bis 2003 zehn Auszeichnungen, darunter auch der Kleist-Preis (2003).

Die Schillertage 2007 in Mannheim wurden mit „Schwarze Minuten“, seinem dritten Stück für die Mannheimer Bühne, eröffnet. In dem Stück hat Ostermaier den Stoff von Schillers „Verbrecher aus verlorener Ehre“ verarbeitet und es in die heutige Zeit umgeschrieben.

Neben seinen 25 Theaterstücken hat er noch acht Lyrikbände und fünf Prosastücke sowie neun Hörspiele, die er zusammen mit dem Gitarristen Bert Werde aufgenommen hat, veröffentlicht.


Hier sollen nun drei seiner Stücke etwas genauer betrachtet werden: „Zwischen zwei Feuern. Tollertopographie“, „Schwarze Minuten“ und „Fratzen“.

Beginnen wir mit „Zwischen zwei Feuern. Tollertopographie“:
Ostermaier beschreibt hier die letzten Stunden des Dichters Ernst Toller vor seinem Selbstmord am 22. Mai 1939 im New Yorker Hotel  "Mayflower ". Um den Gründen für Tollers Scheitern nachzugehen, spaltet Ostermaier seinen Helden in zwei Figuren: Auf der einen Seite der selbstverliebte Dichter Toller und auf der anderen Seite sein alter Ego Tollkirsch, der ihm immer wieder sein Scheitern vor Augen führt und ihn so zu Tode hetzt.

Ernst Toller, eine berühmte Persönlichkeit seiner Zeit, der auch heute noch vielen bekannt ist, studierte wie Albert Ostermaier an der Ludwig-Maximilians-Universität. Er war der jüngste Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie und zog für Preußen in den Ersten Weltkrieg aus dem er als Pazifist wieder zurückkam. Nach dem Scheitern der Räterepublik wurde er zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt, die er von 1919 bis 1924 in den Gefängnissen Stadelheim, Eichstätt, Neuburg an der Donau, aber insbesondere in Niederschönenfeld bei Rain am Lech verbüßte. Dort entstanden seine bedeutendsten Werke und dort gelangte er zu Theaterruhm. Seine Stücke wurden in 27 Sprachen übersetzt und auf den wichtigsten Bühnen der Welt aufgeführt. Er war in den 1920er Jahren der bekannteste lebende Dramatiker deutscher Sprache.
1933 begab er sich dann ins Exil auf Grund seiner jüdischen Abstammung. Er kämpfte weiterhin aus dem Exil gegen die politischen Entwicklungen. Doch nach der faschistischen Übernahme in Spanien war er zutiefst verstört darüber, dass keiner der europäischen demokratischen Staaten eingriff. Diese Gewissenlosigkeit der Politik trieb Toller in eine tiefe Verzweiflung. So nahm  er sich am 22. Mai 1933 das Leben.
Für dieses Stück erhielt Albert Ostermaier 1997 den Ernst-Toller-Preis.

Kommen wir nun zu Ostermaiers nächstem Stück: „Schwarze Minuten“.
Loup Swan sitzt zum dritten Male im Gefängnis - diesmal wegen Mordes. Das Opfer war Robert, der Loup dessen geldgierige Freundin Jeanne ausspannte. Auch war er dafür verantwortlich, dass Loup mit Hilfe der korrupten Justiz ins Gefängnis gebracht wurde. Dort erlebt Loup eine schreckliche Zeit. Nach seiner Entlassung hat sich die Welt für ihn verändert. Seine Mutter ist verstorben und er hat das Gasthaus seiner Eltern verloren, da die Mutter von dem Geld die Kaution für Loup gezahlt hatte. Am Ende wird er von einem Wächter mit einem Kissen zu Tode erstickt, da er Zeuge war, wie die Wärter einen Drogensüchtigen zum Selbstmord getrieben haben.
Das ganze Stück ist durch Zeitsprünge, die die starre Struktur des Stückes auflockern, geprägt.
„Schwarze Minuten“ orientiert sich an Schillers „Verbrecher aus Infamie“ und wartet mit vielen Parallelen aber auch mit interessanten Details auf. Ostermaier nennt seinen Protagonisten Loup Swan in Anlehnung an Schillers Protagonisten Christian Wolf, da Loup auf der lateinischen Schreibweise Lupus beruht. Den Nachnamen nahm sich Ostermaier von der historischen Vorlage des Stoffes, den Schiller damals von seinem Lehrer Jakob Friedrich von Abel als wahre Begebenheit erfahren hat. Er beruht auf der realen Gestalt Friedrich Schwahn.
Beide Werke unterscheiden sich in Details. Albert Ostermaier hat nur an einigen Stellen den Stoff etwas detaillierter beschrieben und die Geschichte in eine modernere Zeit verlegt, wobei er aber offen lässt, wann und wo die Handlung spielt. Beide Protagonisten werden wegen einer geldgierigen Freundin zu Dieben. Ihr gemeinsamer Gegenspieler heißt Robert, den beide umbringen, wofür sie am Ende ins Gefängnis kommen.

Nun zu seinem bisher letztem Stück „Fratzen“.
In dem Stück geht es um den Politiker Rainer, der sich jedoch in seiner neuen Umgebung René nennt. Er ist der Spitzenkandidat einer im Stück unbenannten Partei. Nachdem bei ihm eine Krankheit diagnostiziert wird, die zwar beim Namen genannt wird, aber man sich als Zuschauer nicht sicher sein kann, dass dies die Krankheit ist, die ihn wirklich befallen hat.
Rainer alias René kommt seinem schmerzhaftem Tod zuvor, indem er mit dem Auto an einen Baum fährt und tödlich verletzt wird. Dies alles geschieht in der Nähe seines Heimatdorfes, wohin er sich zurückgezogen hat. Allerdings weiß niemand, bis auf seinen politischen Gegner, dass er diese Krankheit hat, alle in der Stadt denken, er ist dort, um sich um seine kranke Mutter zu kümmern.
Das Stück ist immer wieder durch Rückblicke von Rainer durchbrochen. Erst später stellt sich heraus, dass das, was der Zuschauer sozusagen als Rückblick wahrnimmt, Rainers Videotagebücher sind. Diese zeigen auch die Korruption seines politischen Gegners auf, weshalb dieser auch zur Beerdigung in das kleine bayrische Dorf fährt.

Mit ihm sind noch drei seiner Parteifreunde unterwegs, unter anderem die Ex-Freundin von Rainer. Während des Leichenschmauses kommt es dann zu Enthüllungen, die alle auf ihre Weise strafbar machen. Einer nach dem anderen setzen sie Masken auf. Und nur unter dem „Einfluss“ der Masken, nun frei sprechen zu können, sagt jeder, was er wirklich von Rainer gehalten hat, bzw. von seinen politischen Mitstreitern.
Am Ende des Stückes stellt sich heraus, dass Rainers Parteigegner von seiner Homosexualität zu einem damals Minderjährigen erfahren hatte und ihn damit unter Druck setzen wollte. Damit wollte er erreichen, dass Rainer sein Amt aufgibt und er dafür an die Parteispitze kommen kann.
Um an die Bänder über die Korruption zu kommen, schreckt der Gegner noch nicht einmal vor Mord zurück. Auch die anderen Parteifreunde machen sich nun wirklich schuldig, indem sie den langjährigen Freund und Geliebten von Rainer umbringen.
Am Schluss glauben alle, dass Rainers Videotagebuch mit ihm beerdigt wurde. Und während der Zuschauer die letzten Klänge des Totenliedes hören, wird Rainers Stimme eingespielt und man weiß, dass die Tagebücher nicht verloren sind.

Albert Ostermaier ist ein Autor unserer Zeit, einer der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Lyriker und Dramatiker. Seine Gedichte und Theaterstücke sind in über 20 Sprachen übersetzt. Ostermaier polarisiert die Meinungen und versucht durch neue Formen seinen eigenen Stil zu finden: "ich benutze gerne / versatzstücke anderer personen / um meine eigene zu formen / ich sammle geradezu defekte / ich forme das deformierte zu / einer einzigartigen schönheit / im zerbrechen" („Solarplexus“).

Ostermaier verbindet Antike mit Moderne, Mythos mit Alltagsproblemen, wortmächtig und ohne Punkt und Komma, in unterschiedlichen Ton- und Stillagen. Eine solche Schreibweise, die dazu noch alle Gattungsgrenzen unterläuft, polarisiert, da sie so ungewöhnlich, aber vor allem beeindruckend ist.

Franziska Brockopp (Teilnehmerin des Proseminars „Von Friedrich Schiller bis Jan Neumann. Hausautoren am NT, Januar 2009)