Freunde und Förderer des Nationaltheaters Mannheim

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Andri Beyeler, 2002/2003

Andri Beyeler Hausautor am Nationaltheater 2002/2003
Andri Beyeler
Hausautor am Nationaltheater 2002/2003

Andri Beyeler hat uns auf unsere Bitte hin zwei Texte in Erinnerung an seine Zeit in Mannheim geschickt.
“Ich schicke Ihnen hier zwei kurze Texte, die ich über meine Zeit in Mannheim geschrieben habe. Der erste nimmt etwas spezifischer Bezug auf die Hausautorenschaft und erschien im Spielzeitheft 03/04. Der zweite ist mehr so ein Kürzesterlebnisbericht über meine zehn Mannheimer Monate, und ich schrieb den für das Buch: "Theater für die Stadt. Das Nationaltheater Mannheim unter der Intendanz von Ulrich Schwab". Ich habe bei einer jetzigen Durchsicht nur wenig daran geändert.”


1.
Wie das denn so sei, so Hausautor in Mannheim zu sein, werde ich, seit ich es bin, hie und da gefragt.
die Feststellung, dass der Kram, den ich hier mache, kein wesentlich anderer ist, als der Kram, den ich zuvor tat & die Feststellung, dass ich angenehm mehr Zeit dafür habe & die Angst, die ich fühle, ist für sechs Monate nicht das Geld, was mir fehlt & das Schätzen, dass dies aufgrund eines Geschenkes so ist und nicht aufgrund eines Handels & ein Theaterapparat von noch nie aus der Nähe angeschauter Grösse & das Betrachten eines solchen Theaterapparats & das Sehen der Möglichkeiten & das Sehen der Hierarchien & das Sehen der Sachzwänge & und die Gewissheit, dass es gut ist, das alles zu sehen & die Gewissheit, dass es gut ist, wohl daran teilhaben zu können, nicht aber zu sehr Teil davon zu sein & die Offenheit, mit der mir die Menschen hier begegnet sind und begegnen & die Menschen, mit denen ich mich auch später noch unterhalten mag & die Menschen, mit denen ich auch später noch trinken mag & eine Zeit in Deutschland, dem Land der Hunde und Autos & eine Stadt, die auch auf den zweiten Blick nicht zur grossen Liebe taugt & eine Stadt, mit und in der es sich trotzdem ziemlich gut leben lässt & das Finden von Strassen und Ecken, wo ich mich heimisch zu bewegen begonnen habe & das Finden von Wohnzimmern, die sich als Kneipen tarnen & Flüsse, auf den Schiffe fahren, deren Namen ich mir merken werde & Brücken, die vor allem nachts dazu einladen, auf ihnen stehen zu bleiben und auf das Wasser zu gucken & ein Fussballverein, der mir trotz dafür prädestinierter Geschichte und trotz regelmässigem Stadionbesuch nur schwerlich ans Herzen wachsen will, was vielleicht gerade an den regelmässigen Stadionbesuchen liegen mag & das Heimweh, das ich verspüre, sind die Landstriche und Zugstrecken, die ich vermisse & für den Rest halte ich mich ans Telefon.
Es sei, höre ich mich dann jeweils sagen, recht eigentlich überhaupt nicht schlecht."

2.
das war zum Beispiel so
eine Email vom Verlag mit einem Hinweis/ dann die Mitteilung auf meinem Beantworter/ also den Zug genommen/ und am Umsteigebahnhof nicht um- sondern ausgestiegen/ der Vorsatz wach zu sein/ im Büro/ was geklappt hat/ dann nochmals gekommen/ auf der Rückreise von zehn besseren Tagen bisher/ auf dass es sich verbindlich kläre/ und verbindlich hat es sich geklärt/ danach im Hotel noch telefoniert/ aufgekratzt// später wieder im Zug/ im Intercity/ Gepäck dabei/ in die Wohnung/ ins Stadion/ St. Pauli/ 2.:5/ stille Freude und selten einen Fussballer gesehen/ so laidback/ wie Holger Stanislawski/ gelernter Bademeister/ soweit ich weiss/ woher habe ich allerdings vergessen/ ins Werkhaus/ Wodka wäre Whiskey vorzuziehen/ den Weg zur Wohnung/ nicht nachhause/ trotzdem gefunden/ im Taxi und auch später/ immer wieder/ ins Stadion/ Mannschaften gesehen/ die oben stehen/ und warum/ Mannschaften gesehen/ die unten stehen/ und warum und auch später/ immer wieder/ ins Werkhaus/ ins Casino/ an Freitagnächten etwa/ Sachen sehen/ bei Sachen mitmachen/ zum Beispiel/ ich stehe nachts/ an meinem Fenster/ und gucke hinaus/ ich gucke hinunter/ auf den Platz vor die Garage/ auf die Strasse// oder zum Beispiel/ one two fuck four/ sie machten einen Psychopathen aus ihm/ sie machten ihn zum Idioten/ die herrschende Klasse zu schlagen/ ist streng verboten/ mein Gott/ danke schön/ Superpunk/ Platten auflegen danach/ abhängen/ mit den üblichen Verdächtigen/ das ist gut so/ denken/ und nichts weiter überlegen/ noch ein Bier// oder in der Longue/ Geburtstag feiern zum Beispiel/ auf und neben der Bühne/ ein Halleluja/ für einen Himmel voller Banjos/ und reden/ und lachen/ und den Rest vergessen/ zwischendurch zumindest// oder in der Longue/ Premieren feiern zum Beispiel/ habe sie küssen gesehen/ tanzen/ von here we are know entertain us/ bis let me entertain you/ das waren die neunziger/ sage nicht ich/ weiter tanzen/ bis am Schluss/ dann den Weg zur Wohnung finden/ auch ohne Taxi/ zu Fuss/ verschwitzt/ den Himmel schauen/ die Sterne sehen/ vielleicht ist auch alles ganz anders/ kommt in den Sinn// zuletzt eine Uraufführung im Schnawwl/ im Foyer/ bevor es losging/ der Intendant/ und seine Frau/ erkundigen sich/ wohlwollend/ interessiert/ das hat ich gefreut.


freundliche Grüsse,
Andri Beyeler