März 2022 - Sarah Zastrau und Patrick Schnicke
„BEGEGNUNG“ MIT SARAH ZASTRAU UND PATRICK SCHNICKE
Unter dem viel versprechenden Titel „Allein – zu zweit – gemeinsam“ konnten wir im März Sarah Zastrau und Patrick Schnicke begegnen. Unser Schauspielintendant Christian Holtzhauer moderierte diesen ausgesprochen informativen wie unterhaltsamen Abend mit der Schauspielerin und dem Schauspieler und es wurde einmal mehr deutlich, ein welch eindrückliches Format die „Begegnungen“ sind.
„Gemeinsam“ – standen sie auf der Bühne, und wir erinnern uns an ihre Auftritte in den „Räubern“, der „Möwe“, und auch in „Wounds are forever“, das jetzt im Mai zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen wurde. Hier haben die beiden auf klassische Weise ihr Metier ausgeübt, sich aufeinander eingestellt und kennengelernt und: gemeinsam Theater gespielt.
„Zu zweit“ – agieren sie in der Produktion „Die Wand“, Sarah Zastrau als Darstellerin, Patrick Schnicke als Regisseur. Beide haben eindrücklich dargestellt, was es bedeutet, wenn zwei Personen als Schauspieler:innen, die ja dieselbe Aufgabe des Schauspielens auf der Bühne haben, diese Rollen ändern – wenn eine Person weiterhin spielt, während die andere Person die Regie führt, Anweisungen gibt und Kritik übt (was Schauspieler:innen untereinander in der Regel nicht tun). Es wurde deutlich, dass beide sich in diese Situation erst einfinden mussten, sie haben aber klar gemacht: Spielen und Regie führen hat sehr viel mit Vertrauen zu tun, mit dem Bewusstsein, er bzw. sie weiß schon, was er bzw. sie tut. Dieses Vertrauen haben die beiden zueinander, schließlich sind sie seit der Spielzeit 2018/19 feste Ensemblemitglieder.
„Allein“ – die Pandemieherausforderung schlechthin für Theaterleute! Diese wurde im NTM in verschiedener Weise angenommen, unter anderem mit dem Erarbeiten von Monologstücken, wie z.B. „Die Wand“ (Sarah Zastrau) oder „Steilwand“ (Patrick Schnicke). Auch das eine neue Erfahrung: ganz auf sich gestellt zu sein, kein belebendes, animierendes Gegenüber zu haben, ist auf der Theaterbühne zumindest nicht Alltag.
Die „Begegnung“ wurde auch dazu genutzt, ein ernstes und im wahrsten Sinn existenzielles Thema zu besprechen, für das sich beide politisch engagieren: Sie haben eindringlich gezeigt, unter welch prekären Bedingungen insbesondere junge Schauspielerinnen und Schauspieler ihren Beruf ausüben müssen. Es ist weithin bekannt, dass in diesem Berufsfeld vor allem in der Anfangszeit sehr viel Idealismus gefragt ist. Hier aber haben Sarah Zastrau und Patrick Schnicke mit ihrer persönlichen Beschreibung der Bedingungen die Probleme greifbarer gemacht als ein noch so sorgfältig recherchierter und mit Zahlen belegter Artikel es könnte. In diesem Zusammenhang wurde auch von der Aktion „40.000 Theatermitarbeiter treffen ihre Abgeordneten“ berichtet, die darin besteht, dass Theatermitarbeitende Politiker und Politikerinnen in ihr Theater einladen, Führungen anbieten, insbesondere aber, um Gespräche mit ihnen über die Bedingungen zu führen, unter denen Theaterleute ihre zentrale Kulturarbeit leisten. Denn das ist ja der große Widerspruch: Niemand will auf Theater verzichten, die Bezahlung allerdings gerade der Berufsanfänger:innen steht zu dieser Systemrelevanz nicht im Verhältnis.
Über diese professionellen Positionierungen hinaus aber haben wir noch viel mehr über die beiden erfahren, die auch für die künstlerischen Einlagen zwischen den Gesprächsphasen sorgten. Wir konnten Sarah Zastrau als Puppenspielerin erleben (als die sie ihre Laufbahn begonnen hat). Sie erweckte mit großer Einfühlsamkeit eine eindrucksvoll gestaltete Marionette zu der Klaviermusik des auch in diesem Metier hochtalentierten Patrick Schnicke (der allerdings seinen ursprüngliche Plan, Berufsmusiker zu werden, aufgab) zum Leben. Wir haben einen Eindruck bekommen von dem überaus komischen Talent Patrick Schnickes, der uns in einem kurzen Stück eine ungeahnte Fülle von Möglichkeiten präsentierte, sich bei einer Begrüßung hochoffizieller Gäste wortspielerisch-kunstvoll zu verhaspeln und zu versprechen. Und wir konnten abschließend erleben, wie die Puppenspielerin Sarah Zastrau (wiederum unter Patrick Schnickes Klavierbegleitung) stimmlich ausgesprochen wandlungsfähig eine ältere Dame forsch und subversiv agieren ließ.
Mit dieser Begegnung sind wir wieder einmal Mitgliedern unseres Ensembles so nahe gekommen, wie es kein anderes Medium leisten kann – das Lachen, das Augenzwinkern, Gestik und Mimik, alles, was eben zu einer wirklichen Begegnung gehört, haben uns Sarah Zastrau und Patrick Schnicke über ihre Erzählungen hinaus nahe gebracht.
Text: Heidrun Kämper
Fotos: Petra Eder