Januar 2024 - Tanzensemble
„Begegnung“ mit dem Tanz-Ensemble am 24. Januar 2024 im Tanzhaus Käfertal
Die erste „Begegnung“ im neuen Jahr ermöglichte uns erste Einblicke in die Probenarbeit zur neuen Tanz-Produktion „Seasons in Dance". Dabei stellten vier verschiedene Choreograf*innen ihre Gedanken zu den Karriere- bzw. Lebensabschnitten von Tänzerinnen und Tänzern vor. Stephan Thoss führte kurz in die Grundlage des neuen Programms ein, das die Entwicklung eines Tänzers, einer Tänzerin darlegen soll. Die vier Jahreszeiten symbolisieren dabei auch die vier Entwicklungsstadien eines Darstellers/einer Darstellerin.
Die Aufbau- und Ausbildungsphase ist extrem lang, die Suche nach einem Engagement an einem Theater, oder Ballettensemble, sehr schwer. Dem gegenüber steht zudem noch die kurze Zeit, in der ein Tänzer/eine Tänzerin aktiv sein kann. Altersbedingte Einschränkungen und das allgegenwärtige Damoklesschwert „Verletzung“ schwebt immer über den Aktiven, ganz gleich welchen Alters. So kann eine Traumkarriere durch eine Verletzung ganz schnell zu Ende sein. Bei Auszeiten rechnet man in der Ballett-Szene mit der dreifachen Aufbauzeit, bis man wieder den Anschluss gefunden hat. Wer also zwei Wochen krank ist, braucht sechs Wochen, bis sie oder er wieder auf gleicher Höhe mit den Kolleg*innen mithalten kann. Für das neue Stück, das sich somit in vier (Lebens- und Karriere-) Abschnitte aufteilt, haben sich vier verschiedene Choreograf*innen ihre Gedanken gemacht und in enger Kooperation mit den Ensemblemitgliedern einen Tanzabend mit ganz besonderen persönlichen, ja fast intimen Momenten kreiert.
Tanzdramaturgin Corinna Weber stellte die Choreograf*innen, die mit ihrer ganz eigenen Handschrift choreografisch an das Thema herangehen, vor: Den Anfang macht Albert Galindo, der mit der Einstiegsjahreszeit, dem Frühling, in die Träume der Tänzer*innen und den oft beschwerlichen Umsetzungsversuchen, einführt und mit dem Tanzensemble darstellt, dass Traum und Albtraum oft nahe beieinander liegen. Auch dass die allgegenwärtige Frage „was mache ich denn danach?“ immer wieder verdrängt wird, wenn man jung und zielstrebig ist, wird in seiner „Frühlings“-Choreografie deutlich.
Den Sommer setzt Luis Tena Torres in Szene. Der Höhepunkt der Karriere ist erreicht und soll so lange wie möglich andauern. Tena Torres, der sich selbst in der letzten Spielzeit eine Verletzung zugezogen hat, weiß genau, wovon er spricht, wenn die Ängste vor solchen Unfällen hochkommen. Feste Engagements, der Höchststand der Leistungsfähigkeit und die Begegnungen mit herausragenden Kolleg*innen aus aller Welt - wie schnell kann das alles zu Ende sein...
Emma Kate Tilson liebt den Herbst und freut sich besonders, dass sie für diese Jahres- und Lebenszeit zuständig sein darf.
Sie inszeniert die Zeit nach den Powerjahren, die Phase der Aufrechterhaltung, die Ära der Hoffnungen. „Wenn wir loslassen, kann sich alles regeln“, sagt Tilson und meint damit ebenfalls die Sorgen und Nöte, die Tänzer*innen stets mit sich herumtragen: das Alter, Verletzungen, fehlende Akzeptanz, körperliche Probleme...
Zum großen Finale im „Winter“ holt Zoulfia Choniiazova alle Tänzer*innen auf die Bühne. Sie wolle keine Abschluss- oder Abschiedsszenerie darstellen, sie wolle zeigen, dass in diesem (Lebens-) Winter alle Energien für das nächste Jahr gesammelt werden. Eine Zeit der Selbstfindung und Fokussierung auf das Wesentliche also, erzählt Choniiazova.
So endet „Seasons in Dance", wie es begonnen hat: Mit der Hoffnung, dass es weiter geht...
Wie fühlt sich wohl so ein Tänzer*innenleben an und welche Emotionen der Euphorie und der Freude, aber auch des Scheiterns, türmen sich tagtäglich auf? Die vier Choreograf*innen, die sich an unterschiedlichen Punkten ihrer tänzerischen Karriere befinden, haben interessante und spannende Ansätze gefunden, um Antworten zu geben und auch Denkanstöße.
Fotos und Text: Thomas Henne